125 Jahre Berufsfeuerwehr Aachen I1516
Ein Augenzeugenbericht

Ueber den Aachener Brand von 1656 besitzen wir ziemlich genaue Nachrichten, insbesondere theilt Meyer in seinen "Aachensche Geschichten" einen höchst interessanten Brief mit, den ein Aachener Bürger, der nach Burtscheid geflüchtet war, von dort aus an einen Freund schrieb. Der Brief lautet:

"Ach mein Herr! Mir bricht das Herz, es sinkt der Muth, mir zittern die Hände, und wollen alle Kräfte entgehen: wenn ich mich unterstehe unsern elendesten Zustand in etwas zu entdecken; sintemal dieser Jammer so groß, daß eher Papier, Dinten und Feder ermangeln sollten, als dieser genugsam beschrieben werden könnte; berichte jedoch dem Herrn mit höchster Wehmuth, daß der von unsern vielfältigen Sünden erzürnte allgerechteste Gott nächstverlaufenen 2. May (damals, vor Verbesserung des Kalenders noch der 22. April) seinen schweren Zorn über unsere Stadt Aachen ergehen lassen; indem Morgens zwischen acht und neun Uhr auf St. Jacobs Straß nächst der Pforten eine Feuers-Brunst entstanden, die von einem starken Südwind nicht allein sehr zugenommen, sondern dergestalt in die Stadt einwärts getrieben, daß kein Löschen noch Wehren helfen wollen, und, ehe Abends neun Uhren, die halbe Stadt, so gegen Süden gelegen, in die Asche gelegt wurde, der Wind aber, so bald sich aus Norden gewandt, daß Feuer zurück in das andere Theil der Stadt grimmig geführet, so das Rathaus und schöne Münster (das von Kaiser Carolo Magno nebst einem schönen Pallast erbauet, der von den Nordmannen Anno 881 verbrannt, das Münster aber wegen der festen Steinen mit Feuer nicht beschädigen können) mehr unterschiedliche schöne Kirchen und Klöster samt dem ganzen Markt, Köllner-Straß groß und klein, und so weiter innerhalb 24 Stunden sieben achte Theil der Stadt (so über 2200 Häuser geschätzt wird) hinweggenommen, und zu einem elenden Stein-Haufen gemacht; daß also von der ganzen Stadt nicht wohl der achte Theil, ja nicht so viel stehen blieben, daß der Magistrat zusammen kommen könnte; wobey dann auch ich mein Wohnhaus, so neben dem Rathaus gelegen, Abends um 9 Uhr samt allen Mobilien, davon wir nicht ein Schnupf-Tuch, zu geschweigen was anderes weggebracht, schmerzlich verlassen, und in der Flamme aufgehen sehen müssen.

Ob ich nun wohl mit meinem Weib und Kindern zum Rosen-Bad geflohen, sind wir doch von dem wütenden Feuer allda kaum ein Viertelstund sicher gewesen, und von dannen nach dem Graben zu meinem Vetter gewichen, weil aber diese grausame Flamm auch dieses Orts angezündet, über eine halbe Stunde nicht bleiben können, sondern fort und Nachts um halb zwölf mit Weib und Kind zur Stadt hinaus wie Lotth aus Sodom gangen, und anhero auf Burtscheid die Flucht genommen, allwo ich mich noch aufhalte. Ach wie viele hundert Menschen liegen Tag und Nacht hinter den Hecken außer der Stadt, haben weder Kleider, Essen, noch etwas darzu; es sind auch gar viele Menschen und Viehe verbrunnen, viele in Kellern erstickt, viele von einfallenden Mauern erschlagen, dergleichen noch fast täglich geschiehet.

Es ist solche grausame Straf fast über alle ergangen, und sehr wenig dabey verschonet blieben; zu erbarmen ist es, daß durchgehends alle Freunde und Verwandte dergestalt betroffen, daß keiner dem andern die Hand bieten oder helfen kan; ach! ein Jammer, der nicht zu beschreiben, noch dergleichen in Schriften zu finden, kan es auch niemand glauben, der es nicht gesehen; deswegen dann viele tausend Menschen von sechs, acht und zehn Meilen Wegs unser Elend anzuschauen anhero kommen. Wo das Feuer auskommen, oder wie es seinen Anfang genommen, will niemand wissen; da es angegangen, sagt man, daß in zehn Jahren kein Feuer gewesen; etliche wollen sagen: sie hätten Feuer vom Himmel sehen fallen; ob dem so sey, stelle ich dahin. Dieses ist wahr, daß alle Kirchen, auch Rathaus und hohe Häuser den Anfang zu brennen in den höchsten Spitzen genommen, und sind alle Gebäu bis in den Grund und Boden hinweg gebrannt, daß man nicht einige Häuser mehr findet, so noch das erste oder andere Stockwerk hätten, ja nicht eine einzige Mauer stehen blieben, deren man sich wieder bedienen könnte; sondern ist zumalen ein Stein-Hause, desgleichen ich mein lebtag in allen diesen Kriegs-Zeiten in so viel in Teutschland verbrannten Städten und Dörfern nicht gesehen".

Der Brand begann, wie dieser Brief sagt, auf der Jakobstraße und zwar wie ein anderer Bericht des Genaueren mittheilt, hat er seinen Anfang genommen in der zum "Kuckshause" genannten, in der Nähe der St. Jakobskirche gelegenen Wohnung eines Bäckers, der noch nicht erloschene Holzkohlen auf seinem Speicher ausgeschüttet hatte, wodurch das bei der übergroßen Hitze ausgetrocknete Holzwerk Feuer fing. Da sich auch noch ein heftiger Wind erhob, so wurden die Funken wie Schneeflocken über die Jakobstraße und bald östlich über die Königstraße getragen. Auch Templergraben und Pontstraße waren schnell vom Feuer ergriffen. Man hielt in der



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Bürgerschaft dafür, Brandstifter hätten dieses Unglück angezettelt, weßhalb viele Bürger die Häuser verließen und bewaffnet die geschlossene Stadt durchsuchten. Da plötzlich die Nachricht sich verbreitete, der mit Pulver gefüllte Thurm in der Eilfschornsteinstraße hätte Feuer gefangen, so liefen die Bürger zur Stadt hinaus. Erst am folgenden Tage nahm der Brand ein Ende, da das Feuer keine Nahrung fand. Siebenzehn Personen hatten ihr Leben eingebüßt, zahllose waren verwundet worden. Die Thürme des Münsters waren verbrannt, das Rathhaus verlor sein ganzes Dachwerk und alle seine inneren Kostbarkeiten, und, was besonders bedauerlich war, seine Bibliothek und das Archiv.

Die Kirchen und Klöster der Dominikaner, Franziskaner, Augustiner, Kreuzherren, Jesuiten, die weißen Nonnen, das Gasthaus, der Ursuliner, Annuntialen, Poenitenten und Christenser wurden zerstört; erst bei dem Kirchendache von St. Anna wurde dem Feuer Einhalt gethan. Es sollen nach der geringsten Schätzung 2600, nach der höchsten 5612 Häuser in jenem Unglücksjahre abgebrannt sein.

Die so sehr abweichenden Zahlenangaben erklären sich dadurch, daß bei der einen Zählung nur die Wohnhäuser, bei der anderen dagegen auch alle Nebenbauten, Stallungen und dgl. mitgezählt worden sind.

Alsbald nach dem Brande begann neue Noth; da es naturgemäß an allem Nothwendigen fehlte, weil das Feuer Alles zerstört hatte. Die christliche Nächstenliebe zeigte sich aber bei dieser Gelegenheit in ihrem schönsten Lichte. An den drei nächsten Tagen nach dem Brande trafen vier Karren mit Brod und Käse beladen, von Mastricht und Lüttich ein; desgleichen ließ der Magistrat von Köln alsbald 200 Malter Roggen nach Aachen bringen. Aehnlich thaten andere Städte. Nachdem auf diese Weise der ärgsten Leibesnoth, dem Hunger vorgebeugt war, begann der Rath alsbald an den Wiederaufbau der Stadt zu denken. Allen vom Brand Betroffenen wurden die Wacht und sonstigen städtischen Dienste erlassen; sodann wurde Holz aus den städtischen Waldung angewiesen; der Kaiser und die übrigen Fürsten und Herren des Reiches wurden um Hülfe angerufen. Die Spenden flossen nun reichlich von allen Seiten; auch vom Papste Alexander VII., der ehedem als päpstlicher Nuntius in Aachen gewohnt hatte, kamen 4000 römische Skudi an, eine Summe, die für die damalige Zeit als sehr bedeutend bezeichnet werden muß.

Aachen brennt! Der große Brand von 1656



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