125 Jahre Berufsfeuerwehr Aachen X232236
Seit fast 1200 Jahren steht der im Laufe der Jahrhunderte immer wieder in Gestalt und Form veränderte steinerne Zeitzeuge als Herz im Mittelpunkt der alten Kaiserstadt Aachen.

Welch hohe kulturelle Bedeutung der Aachener Dom im In- und Ausland erfährt, ist aus der Tatsache abzulesen, daß dieses Gebäude im Jahre 1978 als erstes Objekt in Deutschland in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde, in der u.a. Bauten wie die Pyramiden von Gizeh und der Felsendom in Jerusalem enthalten sind. Die zum Schutz des Kultur- und Naturerbes von der UNESCO im Jahre 1972 verabschiedete internationale Übereinkunft soll das Interesse der Weltöffentlichkeit auf die gemeinsame Verpflichtung zum Schutz und Erhaltung der Kultur- und Naturdenkmäler richten. Auch die im Aachener Dom befindlichen, in einem deutschen Kirchenbau wohl einmaligen brandschutztechnischen Einrichtungen sollen dem Schutz und der Erhaltung dieses, als Aachener Wahrzeichen, weit über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannten Bauwerkes dienen.

Der Aachener Dom besteht, wenn man von den kleineren Kapellenanbauten absieht, im wesentlichen aus drei Hauptteilen - dem Kuppelbau Karls des Großen, dem sogenannten Oktogon, vollendet um 800, der gotischen Chorhalle, eingeweiht im Jahre 1414 sowie dem in seiner jetzigen Form 1884 vollendeten Glockenturm.

Das Oktogon war mit einer Höhe von 31,5 m lange Zeit der höchste Kuppelbau nördlich der Alpen. In ihm befindet sich der berühmte Kaiserstuhl Karls des Großen. Die zwischen den Jahren 936 und 1531 in diesem Gebäude stattgefundenen 30 Königskrönungen geben Kenntnis von der damaligen Bedeutung der Stadt Aachen. Die gotische Chorhalle mit einer Länge von 25 m, 13 m Breite und 32 m Höhe bildet mit einer Glasfläche von ca. 1000 m2 ein einzigartiges Gesamtbild: das ?Glashaus von Aachen?. Im 74 m hohen Glockenturm befinden sich 8 Glocken mit einem Gesamtgewicht von fast 14.000 kg.

Im Laufe der Jahrhunderte ist die Münsterkirche mehrere Male durch schwere Feuersbrünste heimgesucht worden. Im Jahre 1146 vernichtete ein Großfeuer das damalige Zeltdach des Oktogons, es wurde erneuert, um im Jahre 1224 dem Feuer wieder zum Opfer zu fallen. Auch der damalige Westturm erlitt bei diesem Feuer schwere Schäden. Der große Stadtbrand im Jahre 1656 vernichtete neben großen Teilen der damaligen Stadt auch den Glockenstuhl des Domes. Die Zerstörungen wurden genutzt, um die betroffenen Gebäudeteile den jeweiligen Stilepochen entsprechend neu zu gestalten.

Bereits Anfang unseres Jahrhunderts machte man sich bei der Aachener Feuerwehr Gedanken über den Brandschutz in den zahlreichen Aachener Kirchen. Nach Begehungen wurden entsprechende Vorschläge zur Verbesserung des Schutzes vor Bränden unterbreitet. Diese Vorschläge wurden jedoch bis auf wenige Ausnahmen aus Kostengründen nicht realisiert.
Der Aachener Dom
Aufnahme vom Katschhof aus



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Pumpenanlage
Eine über einen Drehstrommotor angetreibene Feuerlösch-Kreiselpumpe mit einer Leistung von 3000 l/min bei 15 bar

Im Aachener Dom jedoch begann der Karlsverein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, durch die Bereitstellung von Geldmitteln oder in sonst angemessener Weise zum Schutz und zur historisch-treuen Wiederherstellung des Münsters mitzuwirken, bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Einbau besonderer Sicherungen gegen Feuer.

Durch den 1. Weltkrieg geriet jedoch die Ausführung der Arbeiten ins Stocken und erst Mitte der zwanziger Jahre konnte eine automatische Feuermeldeanlage nach dem System Siemens & Halske eingebaut werden. Da die damalige Wasserversorgung für die hoch gelegenen Teile, Turm, Oktogon- und Chordach nicht ausreichend war, wurde in den Jahren 1926 bis 1929 durch die Kölner Firma Walther & Cie. eine Sprinkleranlage mit Schmelzlotsprinklern und Steigleitungen mit den entsprechenden Anschlüssen zur Löschwasserentnahme in den besonders gefährdeten Dachbereichen eingebaut. Eine durch einen 5000 Volt-Drehstrom-Motor mit einer Leistung von 110 Kilowatt angetriebene Kreiselpumpe mit einer Leistung von ca. 3000 l/min bei 15 bar förderte im Falle eines Ansprechens der Feuermeldeanlage das Wasser in die normalerweise, wegen der Frostgefahr trockenen Rohrleitungen. Diese Kreiselpumpe aus dem Jahre 1929 bildet noch heute das Herzstück der heutigen Feuerlöschanlage.

Im 2. Weltkrieg erlitt das Aachener Münster schwere Schäden. Der Großangriff auf Aachen in den frühen Morgenstunden des 10. Juli 1941, der neben 60 Toten und 85 Verletzten schwere Zerstörungen im Innenstadtbereich sowie im gesamten Kreuzgang forderte und damit wertvollste Kunstgüter der Domschatzkammer vernichtete, war die Gründungsstunde der Feuerlöschgruppe Dom.

Unter der Leitung von Dombaumeister Dr. Stephan Buchkremer fanden sich 18 Jugendliche im Durchschnittsalter von 14 Jahren freiwillig zusammen, um den Dom gegen Brandbomben und gegen die Feuerstürme der brennenden Innenstadt zu schützen.

Die damals im Dom vorhandenen Brandbekämpfungsmittel wie Feuerpatschen, Sandeimer und Einstellspritzen wurden nach und nach durch den Karlsverein um eine Tragkraftspritze, Schlauchmaterialien, Armaturen und Zubehör ergänzt. Die Jugendlichen, darunter auch 2 Mädchen, erhielten Schutzkleidung und persönliche Ausrüstungsgegenstände. Praktische und theoretische Ausbildung erfolgten ausschließlich innerhalb der Domwache. Ständige Übungen, bei jeder Witterung und auch bei absoluter Dunkelheit machten die Mitglieder der Feuerlöschgruppe mit den Örtlichkeiten der kompli-
Einspeise- und Entnahmemöglichkeit am Löschwassersystem



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Wandhydranten mit Schlauchmaterial und Strahlrohren sind im Dachbereich verteilt. Für den Ersteinsatz stehen Kübelspritzen und Feuerlöscher bereit.

zierten Dach- und Gewölbekonstruktion vertraut. Die Mitglieder übernachteten in den Räumen der Schatzkammer und des Kapitelsaales und waren somit Nacht für Nacht in Bereitschaft. Tagsüber gingen alle ihrer Ausbildung und ihrem Beruf nach, bei Fliegeralarm am Tage sammelte sich die Gruppe schnellstens im Dom. Durch ständige Kontrollgänge, die während der Angriffe durchgeführt wurden, konnten entstandene Brandherde sofort erkannt und abgelöscht werden. Zum Schutzgebiet der Domwache gehörte neben dem Dom und seinen Nebengebäuden auch die anliegenden Straßen der Innenstadt. So wurden zahlreiche Einsätze zur Menschenrettung und Brandbekämpfung auch außerhalb des Domes geleistet.

Fast als ein Wunder könnte man die Auswirkungen eines gezielten Luftangriffes am Heiligabend 1943 betrachten. Eine Sprengbombe durchschlug das Dach und eine Gewölberippe der gotischen Chorhalle, verließ aber nach Aufschlag auf einen Pfeiler mit der Statue Karls des Großen das Gebäude durch ein Fenster der Chorhalle. Als die Bombe am nächsten Tag detonierte wurden nur alle Fenster und zwei weitere Gewölberippen der Chorhalle zerstört.

Durch einen gefälschten ?Himmlerbefehl? gelang es einem Teil der Domwache bei der totalen Zwangsräumung Aachens im September 1944 in Aachen zu bleiben, um den Brandschutz des Domes auch gegen das täglich näherrückende und heftiger werdende Artilleriefeuer zu gewährleisten. Die Domwache übernahm zu diesem Zeitpunkt bis zur Neurekrutierung der städtischen Feuerwehr im April 1945 den alleinigen Feuerschutz der Stadt Aachen.

Die nach dem Kriege außer Betrieb genommene Pumpenanlage konnte im März 1949 wieder in Dienst genommen werden.

Mehr als 40 Jahre funktionierte die Anlage fast reibungslos. Lediglich der Elektromotor für den Pumpenantrieb mußte in den fünfziger Jahren erneuert werden. Anfang 1972 jedoch stellte man Undichtigkeiten an den Ventildichtungen fest. Alle Bemühungen, entsprechende Ersatzteile zu erhalten, schlugen fehl, da solche Anlagen heutzutage anders konstruiert werden und keinerlei Unterlagen über die besonderen Ventildichtungen vorlagen. Einziger Ausweg schien eine kostspielige Erneuerung der kompletten Ventilstation durch die Herstellerfirma zum Preis von 6000 DM. Die Aachener Feuerwehr, die auf Antrag des Karlsvereins seit dem Jahre 1935 die Wartung und Überprüfung der Feuerlöschanlage übernommen hatte, schritt zur Selbsthilfe. In mühseliger "Heimarbeit" bastelten Feuerwehrleute so lange, bis sie das "Geheimnis" der alten Ventilringe herausgefunden hatten und sie diese fachgerecht erneuern konnten. Aachener Firmen stellten die verschiedensten Materialien kostenlos zur Verfügung und so konnte die Anlage mit einem Kostenaufwand von ganzen 60 DM wieder voll funktionsfähig gemacht werden.
Entnahmevorrichtung im engen Sakristei-Treppenturm



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Der Brandschutz in heutiger Zeit
Der Dachbereich des Aachener Doms sowie seiner angebauten Kapellen ist durch eine moderne Feuermeldeanlage geschützt. Insgesamt 38 Ionisationsmelder, 2 Wärme-Differentialmelder und 1 Druckknopfmelder sind aufgeschaltet und können so bei der Leitstelle der Berufsfeuerwehr Aachen direkt Alarm auslösen. Gleichzeitig wird die eingebaute Kreiselpumpe automatisch in Betrieb gesetzt und innerhalb weniger Minuten wird das normalerweise trockene Sprinkler- und Löschwasserentnahmenetz gefüllt und unter Druck gesetzt. Das im Dachbereich des Oktogons, des Chors und des Glockenturmes eingebaute Leitungssystem verfügt über mehr als 500 Sprinklerdüsen, die in Abständen von ca. 2 bis 3 m verlegt sind und bei einer Temperatur von ca. +72o öffnen.

Damit die nicht mit einer Sprinkleranlage ausgestatteten kleineren Domkapellen ausreichend mit Löschwasser versorgt werden können, zweigen vom Steigrohr der Löschwasserleitung zum Turm mehrere Löschwasseranschlüsse (Feuerhähne) mit C-Anschluß ab. Diese können dann mit den im Dachbereich verteilten C-Schläuchen und Strahlrohren in Betrieb genommen werden.

Vom Sakristeigarten, durch den Sakristeiturm bis hinauf zum Chorspeicher, führt eine zweite, vom Sprinklernetz unabhängige trockene Steigleitung. Diese besitzt ebenfalls mehrere Löschwasseranschlüsse, muß aber im Einsatzfall durch ein Löschfahrzeug befüllt und unter Druck gesetzt werden.

Neben den genannten Löschgeräten sind im Dachbereich für den Ersteinsatz an taktisch günstigen Stellen zusätzlich Feuerlöscher PG6 und Kübelspritzen untergebracht. Wegen der Frostgefahr im Winter werden die Kübelspritzen zu Beginn der kälteren Jahreszeit mit einem Frostschutz-Wassergemisch befüllt. Die Löschwasserversorgung im Dombereich ist sicherlich als gut zu bezeichnen. Zwei Überflurhydranten und mehrere Unterflurhydranten in direkter Nähe liefern für den Ersteinsatz ausreichend Löschwasser. Im Pumpenraum befindet sich ebenfalls eine Möglichkeit zur Wasserentnahme über 4 B-Leitungen aus dem öffentlichen Netz. Zusätzlich befindet sich in ca. 200 m Entfernung auf dem Marktplatz ein unterirdischer Löschwasserbehälter.

Bei Ausfall der Pumpenanlage oder der Wasserversorgung kann am Pumpenraum über 4 C-Leitungen Löschwasser in das Rohr- und Sprinklersystem gespeist und die Leitungen unter Druck gesetzt werden.

Bei Alarmauslösung durch die Feuermeldeanlage werden gemäß Alarm- und Ausrückeordnung 2 Löschzüge der Berufsfeuerwehr zur Einsatzstelle entsandt. Wegen der baulichen Gegebenheiten und der damit verbundenen Anfahrtschwierigkeiten sind für beide Löschzüge die Anfahrten bereits festgelegt, welche den anrückenden Fahrzeugen über ein gedrucktes Alarmschreiben mitgeteilt werden. Die Fahrzeuge nehmen nach vorgegebener Reihenfolge Aufstellung im Domhof und auf dem Münsterplatz.
Der Dachbereich ist über I-Melder und durch ein Sprinklersystem geschützt



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Neben den bestehenden Feuerwehreinsatzplänen erarbeitet die Berufsfeuerwehr Aachen in Zusammenarbeit mit dem Domkapitel zur Zeit einen Bergungsplan zum Schutze der im Dom vorhandenen Kulturgegenstände. In diesem Plan wird festgehalten, welche Gegenstände im Falle eines Brandes in Sicherheit gebracht oder in der Kirche vor den Brandauswirkungen geschützt werden können. Diese Planung soll in Zukunft auch auf die anderen Aachener Kirchen übertragen werden.

Ausbildung vor Ort
Jeder neue Anwärter der Berufsfeuerwehr Aachen unternimmt, im Rahmen seiner Grundausbildung, eine mehrstündige Rundführung durch den Dom und lernt so die besonderen Verhältnisse dieses Bauwerkes kennen. Für die am Ort durchgeführten Drehleiter-Maschinisten-Lehrgänge sind Anleiter-übungen am Dom eine Pflichtaufgabe.

Einsatzübungen am Objekt sollen in unregelmäßigen Abständen durchgeführt werden.

Für die Planspielausbildung wurde von den Mitgliedern der Berufsfeuerwehr ein naturgetreues Modell des Dom-Viertels im Maßstab 1:100 geschaffen. Dieses Modell fand auch außerhalb der Feuerwehr soviel Begeisterung, daß es u.a. schon in Paris auf einer UNESCO-Veranstaltung ausgestellt wurde.

Der Brandschutz im Dom wird auch in Zukunft einen hohen Stellenwert für die Aachener Feuerwehr einnehmen. Man wird auch weiterhin bemüht sein, daß das in einem wirtschaftlichen Sinne technisch Machbare zum Schutze dieses Kulturgutes getan wird. Sicherlich ist die gute Zusammenarbeit zwischen dem Domkapitel und der Feuerwehr ein Garant für die Sicherheit und Erhaltung eines Bauwerkes, welches zu einem der wertvollsten und bedeutendsten nördlich der Alpen zählt.
Rißzeichnung Aachener Dom



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